Der Wurzel Übel Froh gelaunt entfernen Kriminalhauptkommissar a. D. Heiner Riemenschneider und sein Schwiegersohn in spe die Überreste eines zerstörten Apfelbaums von Riemenschneiders Anwesen, als sie unter den Ausläufern des Wurzelwerkes eine skelettierte Frauenleiche entdecken. Bei der Toten findet man ein Armkettchen, in das der Name Celine eingraviert ist. Celine stand als Kindermädchen im Dienst des Internisten Dr. Martin Rupp, dem Vorbesitzer von Riemenschneiders Haus. Das liegt sechzehn Jahre zurück. Bald darauf gibt es ein weiteres Opfer zu beklagen. Leseprobe Riemenschneider löste seine Haarpracht und ging zu Peter Jakobi hinüber. Für einen kurzen Augenblick kehrte Ruhe ein. Mittlerweile hatte man den letzten der Knochen, die hie und da Textilsegmente aufwiesen, aus dem Erdreich geborgen. Vor ihnen lagen die Überreste eines menschlichen Leichnams. „Ich fasse zusammen“, meldete sich Hauptkommissar Peter Jakobi mit gezücktem Notizblock zu Wort. „Ihr habt den Baum da gefällt und seid dabei auf ihn hier gestoßen.“ Gerichtsmediziner Franz Decker rückte seine Brille zurecht und schüttelte den Kopf. Meist arbeitete er als Pathologe, nicht als Forensiker. Doch seit ein früherer Chef vor fast zwei Jahrzehnten eine leitende Position am Institut für Rechtsmedizin in Mainz angetreten hatte, ermöglichte ein Sondervertrag ihm und seinen Kollegen die Autopsie ungeklärter Todesfälle im Kreis Trier‑Saarburg. „Falsch!“, korrigierte er den Schulfreund. Jakobi stutzte und verzog den Mund. „Du meinst ...?“ „Genau! Dieses Becken gehört zu einer Frau. Und eines kann ich jetzt schon sagen: Der Schädel zeigt keinerlei Anzeichen äußerer Gewalteinwirkung auf. Ebenso wenig hat man ihr die Kehle durchgeschnitten. Erwürgt wurde sie auch nicht. Dann wäre das Zungenbein gebrochen.“ Riemenschneider legte seine Stirn in Falten und zog die, vor einer Woche gestutzten Haare an seinem Kinn in die Länge. Stefans Linke knautschte die Vorderseite seines Sweatshirts. Seine rechte Hand hatte er in die Hosentasche gesteckt. „Was, wenn hier noch mehr ...“, setzte er an, doch dann bemerkte er Jakobis abwehrende Hand, die in seine Richtung zeigte. „Du denkst an einen ehemaligen Friedhof?“, brummte Riemenschneider mit halbem Munde. Vor seinem geistigen Auge sah er neben einem umgegrabenen Wiesenstück auch die restlichen seiner heiß geliebten Apfelbäume, die man samt Wurzelwerk aus dem Boden gehoben hatte, dazu ein Archäologenteam, das Millimeter für Millimeter in das Erdreich eindrang. Seufzend ballte er seine Hände zu Fäusten und lockerte sie gleich darauf wieder. Dies wiederholte er mehrere Male. Einen Hilfe suchenden Blick in Richtung seiner Freunde konnte er sich sparen. Jakobi hatte seine ersten neun Lebensjahre in Daun verbracht; Decker war mit zehn mit seinen Eltern aus Gummersbach nach Kell übergesiedelt. „Dazu kann ich euch nichts sagen“, fügte er hinzu. „Einem Augenblick, bitte!“, rief Wilfried. Etwas erregte seine Aufmerksamkeit. Er streifte ein Paar Handschuhe über und ging in die Hocke. Als er die Grube verließ, baumelte eine Kette mit Anhänger aus Edelstahl zwischen den Fingern seiner rechten Hand. Er pustete ein paar Mal kräftig und hielt ihn gegen das Licht. Schließlich holte er ein zerknülltes Papiertaschentuch zu Hilfe. Eine Gravur kam zum Vorschein: schmale, schnörkellose Druckbuchstaben. „Celine“, fragte er in die Runde. „Kann jemand mit diesem Namen etwas anfangen?“ Decker hob die Schultern. Jakobi brummte etwas Unverständliches und schüttelte schließlich den Kopf. „Sekunde … Nee, da müsste ich lügen“, murmelte Riemenschneider und verdrehte die Augen. „Wann hattest du dieses Haus gekauft?“ |